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Wie oft muss ein Unimog umkehren? Und: Reto und Teddy sind die Helden der Reise

Wir konnten viel erledigen, aber nun müssen wir flüchten aus Bukarest, es ist so heiss, und so fahren wir ins «Palmenparadies» von Bukarest (es gibt drei Palmenparadiese in Deutschland, und die im Schwarzwald/Titisee und in Baden/Sinsheim, haben Reto und ich regelmässig besucht). Das Palmenparadies ist grösser und nobler als in Deutschland, entsprechend ist aber auch die Klientel eher unangenehm, da sehr snobby. Egal, wir haben Spass in den Bars im Wasser, in den kleinen Mineralpools und auf den Massageliegen. Draussen regnet es und es ist grau und kühl, also haben wir Teddy beruhigt im Mog gelassen. Um Mitternacht, als das Bad schliesst, sinken wir, müde und sauber 😉, in unser Bett im Mog, draussen auf dem Parkplatz der Therme.

Der nächste Tag ist ein unschöner Tag, aber auch diese gibt es auf der Reise. Wie Nacht und Tag, so gibt es gute wie schlechte Momente. Trotzdem überwiegen die positiven Momente stark gegenüber den schlechten.

Wir werden von einem aggressiven Security bedroht, tatsächlich auch physisch: er will, dass wir umparken, auf den Busparkplatz, obwohl der grosse Parkplatz fast leer ist, wir haben uns ja extra ins Eck gestellt, der Parkplatz ist riesig, und im Umkreis von 100 Meter steht kein einziges Auto! Wir bleiben höflich, bitten ihn, ob wir nicht hier stehen bleiben dürfen, aber er ist wütend, unverschämt und aggressiv. Wir wollen mit dem Manager reden, doch er versperrt uns den Weg. Das haben wir noch nicht erlebt. Reto brodelt vor Wut. Ich bin nur verwundert, was es für Menschen gibt. Wir haben nichts getan, haben auch nicht den Parkplatz blockiert, dieser ist riesig und fast leer. Später erfahren wir im Gespräch mit andere Thermenbesuchern, dass die Security hier dafür bekannt ist, so zu reagieren, wie sie es bei uns tat. Schade, an so einem tollen Ort, wo man doch so gerne Zeit verbringen möchte. Ich überlege nach wie vor, dem Manager der Therme zu schreiben. Auch, wegen dem nächsten Vorkommnis, welches mich noch jetzt sehr betrübt.

Teddy wird an diesem Tag von einem Hund angefallen und verletzt, ebenfalls bei der Therme, und zwar von einem Hund der Security. Eben dieser Security, die uns zuvor schon wirklich unverschämt behandelt hat. Wir laufen spazieren auf den Feldern vor der Therme, ein Security mit Hund kommt uns entgegen. Und kaum versehen wir uns, wird Teddy von dem Hund attackiert. Sie schreit erbärmlich, der Hund hat sich in Teddy verbissen, wir gehen sofort dazwischen. Der Security reagiert nicht mal, es kümmert ihn nicht. Teddy liegt am Boden und zittert, sie schreit. Sie möchte nicht mehr aufstehen, erst scheint es, als könne sie nicht mehr laufen. Doch komischerweise, nach ein paar Minuten, in denen sie sich beruhigt hat, läuft sie schwanzwedelnd weiter, als sei nichts geschehen. Reto und ich sind immer noch erschrocken, aber schon wieder beruhigt durch Teddys Verhalten. Doch es soll anders kommen, und ich kann mir gar nicht erklären, wie sich Teddy gleich nach dem Angriff so cool verhalten konnte. Sie fängt an zu schreien vor Schmerz, Stunden nach dem Angriff, zittert, kann ihr linkes Hinterbein nicht belasten. Wir fahren sofort zu der Tierärztin nach Bukarest, die wir schon kennen. Schon beim ersten Mal war die Tierärztin super, wir fühlten uns wohl, sie sehr kompetent, und hat sich beim ersten Besuch schon richtig viel Zeit für uns genommen. Obwohl es schon spät war und die Praxis voll, wurde Teddy sofort untersucht, und wir im Schock: sie hatte eine grosse, stark geschwollene, blutende Wunde am linken Hinterbein. Die Tierärztin meinte, die Wunde sei sehr tief, der Muskel sei auf jeden Fall verletzt, evtl. auch der Knochen. Teddy wurde rasiert, die Wunde gereinigt, und ihr ein Antibiotikum und ein Schmerzmittel gespritzt. Jetzt wäre Teddy ja nicht unsere Teddy, wenn nicht folgendes passieren würde: obwohl sie gerade von einem Hund attackiert worden war, erblickte sie draussen auf der Strasse einen grossen Husky, den sie prompt schwanzwedelnd freudig auf sich aufmerksam zu machen versuchte! Was ein Hund!

Reto meinte, er fände den Angriff fast schon gut unter dem Gesichtspunkt, dass Teddy nun eventuell vorsichtiger werden würde im Umgang mit Hunden (sie ist immer stürmisch und hoch begeistert erblickt sie ein anderes Tier, egal ob Kuh oder Pferd, Hund oder Katze), während ich mir Sorgen machte, wie sich das psychisch bei ihr auswirken könnte… nun, sie ist halt Teddy 😊.

Am Abend fanden wir uns also erneut auf dem Bukarester Parkplatz wieder. Mittlerweile war Mittwoch, und Teddy musste Freitag zur Kontrolle der Wunde, und sie darf sich nicht bewegen. Der Parkplatzwächter begrüsste uns schon freudig mit «Welcome back».

Erneut wird der Sekt ausgepackt, denn obwohl wir am Ende sind (Reto und ich, Teddy ist natürlich vergnügt wie immer!) haben wir etwas zu feiern, eigentlich sogar zwei Dinge: erstens sind wir mittlerweile seit 6 Monaten EIN Rudel! Juhu! Vor sechs Monaten haben wir Teddy in Marokko bei Marrakesch gefunden und aufgenommen. Das zweite ist, dass Teddy seit heute, neben der Attacke, zum ersten Mal läufig wurde. Reto hatte es schon bemerkt, kurz nach der Attacke, die Tierärztin hatte es dann bestätigt… Teddy ist das erste Mal «on heat». Mit 8 Monaten.

Am nächsten Tag, Teddy darf sich immer nicht bewegen, hängen wir zu dritt bei grosser Hitze auf dem Parkplatz. Wir müssen regelmässig ihre Wunde reinigen, aber ihr geht es gut! Bei uns ist der erste Schreck auch überwunden.

Irgendwie reisst die Pechsträhne aber nicht ab: Teddy muss zur Kontrolluntersuchung. Am Morgen habe ich ihr ein neues Halsband angelegt (und zur Feier ihrer ersten Läufigkeit hat sie tags zuvor ein neues, rosa Handtuch für ihr Hundebett bekommen 😊). Vor der Tierarztpraxis, auf einer sehr verkehrsreichen Strasse, schlüpft sie aus ihrem Halsband! und rennt über die Strassen, zwischen den Autos! Ich brülle sie an, Reto brüllt mich an weil er sich verwundert, dass ich Teddy freilasse… er hatte nicht gesehen, was passiert war. Ich übergebe ihm Teddy- und ihm passiert nochmal das gleiche! Teddy macht sich erneut los, rennt über die Strasse, Reto brüllt. Völlig fertig mit unseren Nerven findet uns die nette Tierärztin auf der Strasse und untersucht Teddy dort. Puh! Die Wunde sieht gut aus, allerdings sind ihre Blutwerte nicht in Ordnung, die Entzündungswerte sind zu hoch – aber sie kriegt ja sowieso schon Antibiotika wegen dem Biss, und das hilft auch der Entzündung.

Uns reicht es. Die erneute Flucht aus Bukarest gelingt. Bei viel Verkehr und Hitze im Auto (wir können ja das Fenster der Fahrerseite noch nicht schliessen, daher funktioniert unsere Klimaanlage natürlich nicht gut) fahren wir nach Norden. Gegen 22 Uhr kommen wir auf einem leeren Parkplatz an, bei Schlammvulkanen.

Am Morgen repariert Reto den elektrischen Fensterheber – und er kann es! Juhuiiii! Es ist harte Arbeit, alles ist eng am Fenster, sowohl Kraft als auch Feingefühl sind notwendig. Aber er schafft es! Der Held! Und das bei brütender Hitze und vielen Zuschauern, die neben uns parken. Er ist einfach der Tollste! Und woher er das kann? Er kann es eigentlich nicht, er macht einfach und es klappt, bringt es sich selbst bei. Und dadurch, dass er es selbst macht, sparen wir viel Geld für die Werkstatt.

Die Schlammvulkane sind ganz schön, es blubbert hier und da aus Löchern 😉. Wir fahren weiter, und, ihr erratet es nie, durch die Karpaten. Zum vierten Mal sind wir in den Bergen Rumäniens. Wir wollen zum Schloss Bran, DAS Dracula Schloss in Rumänien (es sieht wohl so ähnlich aus wie das Schloss in Bram Stokers Buch beschrieben, weder Dracula noch Stoker waren jedoch je in Schloss Bran). Wir fahren eine kleine Passstrasse, plötzlich eine Brücke, die nur einspurig befahren werden kann, und daher eine Breite von 2 Metern hat. Tja, der Mog ist 2,50 Meter breit! Also heisst es umkehren. Und es soll nicht das letzte Mal sein…. 😉

Wir finden eine andere kleine Passstrasse, draussen ist eine coole Stimmung, wie in Südamerika, irgendwie… Wir kommen durch ein kleines Dorf, aber auch hier, wir müssen umdrehen (auch das wird nicht das letzte Mal bleiben), denn die Strasse ist gesperrt, wie uns nette Rumänen sagen, und uns gleich selbstgebrannten Schnaps anbieten: hier kommen wir nicht weiter. Sie erklären uns die neue Route, und wir finden, mittlerweile Abend, einen herrlichen Stellplatz auf einer Lichtung in den Bergen. Wir haben uns gerade eingerichtet, da halten wiederum sehr nette Rumänen bei uns, und laden uns ein, in den Bergen mit ihnen zu feiern und zu campen. Es sei nicht weit. Okay, schon haben wir alles gepackt und folgen ihnen in ihrem 4×4. Wir fahren ihnen euphorisch hinterher, es ist eine üble Piste, und mittlerweile ist es dunkel. Obwohl es hiess, es sei nicht weit, fahren wir über eine Stunde, ich würde schätzen eher sogar anderthalb Stunden, bis wir an einem Ort ankommen, an dem die Freunde schon warten. Mit ihnen leider auch ca. 20 wild-bellende Hütehunde. Der nette Rumäne von zuvor sagt uns, dass Teddy nicht aus dem Mog darf- die anderen Hunde würden sie sofort töten. Aber Teddy muss nun mal, und leider ist auch unsere Euphorie gewichen: die Strecke war nicht ungefährlich, und dass bei Nacht! Wir bedanken und entschuldigen uns, und suchen uns einen nahegelegenen Schlafplatz. Schade! Aber irgendwie hatte es nicht gepasst für uns, und wir haben uns vorgenommen, immer auf unser Gefühl zu hören, selbst wenn es noch so grundlos erscheint.

Am nächsten Morgen kommen die Rumänen wieder bei uns vorbei, die Stimmung ist gut, ohne Groll. Reto und Teddy und ich sitzen im Mog, plötzlich kommen von überall her riesige, bellende Hütehunde – ich zähle 16. Sie legen sich vor den Mog, hinter den Mog, sie kommen von allen Seiten – klar!! Teddy ist ja läufig 😊. Aus dem Mog heraus betrachtet sie verwirrt aber vergnügt das Geschehen um sie herum. Die Viecher sind so gross wie Kälber. Allein beim Gedanken an die potentiellen Welpen stelle ich mir einen Anhänger am Mog vor, ein Offroad-Anhänger natürlich, voller Teddy-Kälber-Welpen…

Wir packen zusammen und fahren in die Richtung weiter, die wir nachts zuvor schon gefahren sind. Reto lässt die Drohne steigen, während ich fahre. Die Piste ist toll, die Landschaft auch, und wir sagen noch «gut haben wir einen Unimog!». Hm. Ihr ahnt es schon – da kommt noch mehr.

Ich fahre arschcool (der Ausdruck kommt von Reto) schlammige Pisten bergab, es ist eng, rechts und links sind Bäume, es hat tiefe Spurrillen. Mich lässt es ziemlich kalt, im Gegenteil, ich habe richtig Spass. Reto hebt Äste beiseite und gibt Anweisungen. An schlimmen Passagen lasse ich wie immer den Mog fahren im Kriechgang, und halte mich entspannt am Steuer fest. Denn der Mog fährt dann doch nochmal besser als ich, sucht sich immer seinen Weg.

Und dann kommt eine Stelle, an der wir nicht mehr weiter kommen: die rechte Strasse ist so eng, dass wenn wir rutschen würden mit dem Mog bzw. der Wohnkabine in die Bäume rutschen würden – wenn wir überhaupt hindurch kommen würden. Denn die Bäume stehen eng und ragen ins Wegesinnere.

Auf der Piste links sind 1 Meter tiefe Spurrillen, es ist total verschlammt, an der steilen Böschung liegen schon zerbrochene Windschutzscheiben. Wir laufen beide Tracks mehrmals ab, und entscheiden uns fürs Umdrehen! Die Frage ist nur, rückwärts hoch, oder wenden? Reto übernimmt das Wenden, das ist schon harte Arbeit, ich mache mir Sorgen, dass der Mog kippt. Aber Reto schafft es! Zurück kämpft sich der Mog hoch, uns ist mulmig, ich muss die Augen schliessen, denn es ist steil und sehr schlammig. Wir schalten nicht nur den 4×4 ein, sondern auch die Sperren – und der Mog schafft es! Wir glauben es kaum! Juhu!!!! Aber er hatte schon zu kämpfen, und zweimal dachten wir, wir bleiben stecken oder rutschen ab nach hinten.

Wir fahren alles wieder zurück. Und halten an dem Platz, an dem wir 24 Stunden zuvor schlafen wollten! Erneut kommen sehr nette Rumänen vorbei, schenken uns selbstgepflückte Blaubeeren und viel Käse, und geben uns Tipps für die Weiterfahrt. Diese Freundlichkeit finden wir hier ständig in Rumänien!

Wir sind mit den Nerven am Ende, als wir uns in unsere Stühle fallen lassen. Reto kichert, während er sagt: «Weisst du, mit einem kleinen 4×4, mit einem Landcruiser oder einem Defender, wären wir da locker durchgekommen…»

Teddy unterstreicht diese Weisheit Retos mit lautem, bewachenden Gebell aus der Fahrerkabine 😊.

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