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Kein Durchkommen auf Rumäniens Bergpisten. Und: was kann ein Landcruiser im Vergleich zum Unimog:

Während Reto und ich immer noch «unsere Wunden lecken» (weil wir mit dem «unbesiegbaren» 😊 Mog umkehren mussten, während alle Landy-, Jeep- oder Landcruiser-Fahrer fröhlich winkend die letzte Passage meisterten, an der es für uns kein Durchkommen gab), lockt Teddy in ihrer «Hitze» alle möglichen Rüden an, die sich wirklich sehr um sie bemühen. Lustigerweise will Teddy jedoch einfach nur spielen, wir beobachten das Geschehen trotzdem mit Argusaugen. Der Platz ist besonders: ein weiter Blick über die Berge und Wälder, mehrmals täglich (eigentlich im Stundentakt, könnte man sagen) kommen interessierte, freundliche Rumänen vorbei (wir kriegen auch jedesmal Geschenke, wahnsinn, über selbst gepflückte Blaubeeren oder selbstgebrannten Schnaps 😉, selbstgemachten Käse ist alles dabei….), Kühe, Pferde und Schafe weiden um den Mog, und ständig fahren Pferdekutschen an uns vorüber, man winkt sich jeweils freundlich zu.

Teddys Wunde vom Hundeangriff in Bukarest heilt gut, Reto und ich spannen aus. Als wir uns doch schliesslich (mal wieder) aufraffen können, weiterzufahren, finden wir uns erneut auf einer wunderschönen, einsamen Piste wieder, durch Wälder, an blühenden Wiesen und rauschenden Bächen vorbei. Da wir über so manche Brücke nicht fahren wollen (!), durchqueren wir mehrmals den entspannt-dahinplätschernden Bach. Hier laden wir auch Wasser aus dem Fluss auf: da wir eine Wasserpumpe haben, die mit der Bohrmaschine betrieben wird, müssen wir nicht manuell schöpfen. Während dieser Tätigkeit macht Teddy uns etwas nervös: sie bellt und bellt sehr aufgeregt in den Wald hinein, und da wir uns im tiefsten Bärengebiet befinden, reagieren wir entsprechend skeptisch. Doch alles bleibt ruhig, und so frage ich mich: hat Teddy einen Schmetterling angebellt, dessen Aufmerksamkeit sie unbedingt 😉 erregen wollte?! Wir werden es nie herausfinden, also rein in den sicheren Mog. (Ha! Zum Thema Unimog vs. Landcruiser: in einem Landcruiser wären wir nicht mal ansatzweise sicher bei einem Bärenangriff. Im Mog hingegen schon! So! Das ist Balsam für das Ego. Und nur dass ihr wisst: Sowohl Reto und ich sind begeisterte Landcruiser-Fans! Am liebsten würde ich im Landcruiser neben dem Mog, den dann Reto fahren würde, herdüsen. Landcruiser sind nämlich die coolsten Fahrzeuge. Aber auch dies ist ein sehr emotionales Thema – es gibt Jeep-Fans, Landy-Fans, Mercedes-G-Klasse-Fans… auch alles coole Teile. Soll doch jeder das fahren, wofür ihr oder sein Herz schlägt.)

Mitten im Wald stossen wir auf riesige Satellitenschüsseln, sieht das interessant aus, die Fantasie wird angeheizt – da hört man doch sicher die Weltall-Bewohner kommunizieren?? 😊. Es sieht aus wie ich mir Bauten aus dem kalten Krieg vorstelle (und das meine ich jetzt positiv, kommt man aus West- oder Zentraleuropa, hat der Kalte Krieg eine andere Bedeutung als für eine Ost-Europäer, kann ich mir zumindest vorstellen. Es ist faszinierend, da für uns unbekannt und neu). Erneut legt sich eine sehr apokalyptische Stimmung um dieses Rumänien. Diese wirkt schon sehr romantisch auf Retos und mein Gemüt. Unser neues Bild von Rumänien verdichtet sich, zu einem «Land der romantischen Apokalypse».

Wir finden uns bei Schloss Bran vor: dieses wird extrem kommerziell ausgeschlachtet, weder Dracula war je hier, noch Bram Stoker welcher das Dracula-Buch verfasste.

Als wir abends dort ankommen, herrscht eine faszinierende mystische Stimmung: tiefe, graue Wolken hängen in den Bergen und den Wäldern, es ist düster und leicht gruselig. Cool!

Auch so vorzufinden am nächsten Morgen: wir stehen auf einem grossen Kiesplatz alleine direkt gegenüber dem Schloss, da kommt ein plötzlicher starker Regenschauer, als ich gerade begeistert die dunkle schwere Regenwolken-Szenerie fotografieren will. Tolle Stimmung, mystisch, bedrückend, wie in einer anderen Welt. So muss es sein, es passt richtig zum Ort. Wer will denn schon Sonnenschein am Dracula-Schloss?!

Das Schloss sieht ganz schön aus, wir fanden das in Eisenmarkt/Hunedoara jedoch viel beeindruckender und gewaltiger. Hier in Bran gibt es Massen von Essens- und Souvenirbuden, es ist sehr voll, die Schlange vor dem Einlass riesig. Ich frage eine Dame, die hier arbeitet, ob es hier nicht möglich sei, online Tickets zu kaufen, um so die Schlage zu umgehen. Und tatsächlich, es ist möglich, nur macht das keiner! Wie kann das sein? Mir ist das in Rumänien nun schon ein paarmal aufgefallen, vieles ist hier nicht online oder im Internet zu finden – während manche das verwundern mag, finde ich dies ja total sympathisch! Wie auch immer, wir entscheiden uns gegen den Besuch des Schlosses. Es ist teuer, beeindruckt uns nicht, und es ist zu voll. Lieber gehen wir essen(😊) in ein ruhiges Resti abseits der Touristenmassen, mit grandiosem Blick auf das Schloss. Aber Achtung, von wegen abseits der Tourimassen: es gibt Schweizer Rösti und Schwäbische Spätzle (letzteres in Tomatensosse!! Was ein Frevel, hilfe 😊! Da ich aber natürlich extremst 😉 weltoffen und tolerant und experimentierfreudig bin, versuche ich die Spätzel, und was soll ich sagen – es schmeckt!).

Da Teddy läufig ist, findet sie auch hier im Park grosse Beachtung verschiedener Rüden. Lustigerweise sind alle sehr viel kleiner als Teddy (die ja auch nicht gerade riesig ist), und so wird sie von einem sehr aufgeregtem und herzzerreissend begeistertem vier Monate alten Zwergspitz (!) besprungen – zum Glück kommt dieser maximal zu ihrem Knie hoch…. Teddy legt sich daher höflicherweise mal auf den Boden, um es ihm leichter zu machen… aber der Zwergspitz ist zu aufgeregt irgendwie… Es ist köstlich!

Wir fahren auf ein einsames Feld auf dem Land, und auch hier finden sich rasend schnell alle möglichen Rüden ein. Hier jedoch wieder die grossen Hütehunde, die das Vieh der Bauern vor Bären schützen sollen. Demensprechend müssen diese Hunde ja gross und angriffslustig sein, sie haben schliesslich einen Job. Wir fahren weiter zur nächsten rumänischen Sehenswürdigkeit, dem Lac St. Ana. Es geht erneut Serpentinen hinauf und hinab, durch dunkle Wälder, in denen Bären lauern. Am See dann die Ernüchterung: es wurde einfach die Zufahrtsstrasse zum See gesperrt! Die Rumänen vor Ort begründen dies mit der Vermüllung des Sees (was ich mir gut vorstellen kann. In Rumänien bietet sich in der Natur regelmässig ein trauriges Bild: Müll liegt überall, im Wald, in den Wiesen, am Fluss…). Wir vermuten jedoch, dies wir nach einiger Internetrecherche auch bestätigt, dass die Strasse abgesperrt wurde damit man auf dem sehr teuren, kostenpflichtigen Parkplatz parkieren oder den kostenpflichtigen Campingplatz nutzen muss. Später lese ich noch, dass die Bären vor Ort mit Quads gejagt und zu den Touristen gelotst werden. Damit diese auf Videos mit Bären zu sehen sind! So etwas können und wollen wir nicht unterstützen! Und dann ist die Verwunderung bei den Menschen gross, dass Bären immer aggressiver werden und Menschen angreifen. Man wunderst sich über den Wesen Mensch. Wir fahren ab, und wir machen uns so einige Gedanken.

Wir finden einen schönen Stellplatz bei einer wahnsinnig gastfreundlichen, ungarischen Familie (die zur Volksgruppe der «Szektler» zählt, Ungarn, die in Rumänien wohnhaft sind). Sie schreiben am Eingang, dass ihr Platz kostenlos ist für Freunde, und dass jeder Besucher ein Freund ist 😊. Toll!

Es gibt eine weite Sicht ins Tal, viele schöne Picknickbänke und -tische, einen Kiosk mit Essen und Trinken. Das Paar mit Tochter ist sehr nett, wir sitzen bis spät in die Nacht in der Dunkelheit zusammen, selbst die Kleine hält durch. Es gibt selbstgebrannten Schnaps, das Paar erzählt von ihrem harten Leben: in den Sommermonaten müssen sie mit dem Kiosk soviel Geld verdienen, damit sie durch den langen und kalten, 6 Monate dauernden Winter kommen. Leider können wir kein Ungarisch, sie kein Englisch, und trotz des schweren Themas müssen wir ständig kichern, da der google Translator oft äusserst lustige Sätze ausspuckt 😊 (ich z.B. kriege es einfach nicht hin, «Bären» auszusprechen, google macht aus meinem, astreinen! Hochdeutsch, jedesmal «Beeren»… 😉). Teddy bellt begeistert in die Dunkelheit, woraufhin wir sofort mit unseren Taschenlampen in die Umgebung leuchten – laut der Familie gibt es hier viele Bären, sie sehen regelmässig welche, uns bleibt das – zum Glück – nicht vergönnt.

Am nächsten Morgen ist es kalt und grau und regnerisch (das sind die Karpaten!). Es soll erneut ein Tag der Umkehr sein – wir entscheiden uns für eine kleine Piste, die es in der Landkarte gibt, nicht jedoch zum Beispiel auf google maps. Wir wollen in den Norden fahren, und ein Schweizer Pärchen aus Luzern treffen, die in einem Steyr unterwegs sind. Sie haben uns über Instagram kontaktiert. Das wäre toll, also los geht’s: nach einiger Zeit kommen wir zu einer Brücke, die gesperrt ist (so sieht sie auch aus!, sie hängt durch und sieht nicht vertrauenserweckend aus), doch Pkws fahren darüber… dann ist da doch ein Schild, die Brücke sei nur für über 3,5 Tonnen gesperrt… oder ist sie doch gesperrt? Egal, wir nehmen sie nicht. Aufgrund der Regenfälle ist der Fluss voll, reissend und dreckig, wir sehen nicht viel, also möchten wir diesen auch nicht durchqueren. Weiter geht’s auf eine andere Piste, die ist auf Locus Map verzeichnet (Locus Map nützen wir fürs Offroad- bzw. Pisten-Fahren). Doch auch hier kommt bald eine Mini-Brücke, die auch viel zu eng ist, und daneben Wald, also auch kein Durchkommen, es wird gekehrt. Wir fahren eine sehr enge (rechts und links sind Bäume und ein Fluss) und sehr matschige Piste, es ist schwierig, und dann, an einer engen Stelle: eine Schranke bzw. ein Gatter. Wir müssen kehren – erneut – bzw. zuerst rückwärts setzen (bergab) und dann an einer sehr engen Stelle wenden. Wir sind frustriert! Nirgends kommen wir durch! Mittlerweile ist es früher Abend, wir finden einen schönen, ruhigen Stellplatz zwischen Bach und Wald. Ruhig – bis ca. ein Dutzend Autos auftauchen, welche dann die ganze Nacht Rennen fahren 😊, mal was anderes!

Am nächsten Tag treffen wir die Schweizer Carla und Claudio im Steyr: sie sind ein Paar aus Luzern, jahrelange Sprinter-WoMo-Erfahrung, nun im Steyr. Beindruckendes Fahrzeug! Wir tauschen uns aus, erzählen Geschichten, träumen von möglichen Reiserouten… es ist ein schöner Tag mit tollen, spanenden Gesprächen! Uns einen gleiche Interessen, es wird spannend sein, die zwei weiterzuverfolgen (sie nennen sich «Reisekiste»). Hoffentlich treffen wir uns mal wieder, irgendwo auf der Welt, im Nirgendwo. Bei solchen Begegnungen rätsle ich immer, ob man sich je wiedersieht, oder ob es bei einer einmaligen Begegnung bleiben wird. Auch dies ist anders beim Reisen oder Overlanding: «Daheim» (wie auch immer man ein «Daheim» oder wie Reto sagen würde, «Dihei», definieren würde) hat man einen festen Freundes- und Bekanntenkreis, oft einen festen, regelmässigen Ablauf. So trifft man sich regelmässig z.B. jeden Donnerstag zum Yoga und Saunieren (ich denke an dich, liebe Carina) oder zum Squashen (genau, du bist gemeint, Kolibri!). Auf Reisen, ohne festen Wohnsitz ist dies anders. Man hat mehr Begegnungen mit Fremden (manche Reisende übrigens nicht, diese meiden fremde Menschen), die oft sehr intensiv und emotional (in beide Richtungen emotional) sind. Man tauscht sich aus, oder hat Ärger miteinander, und sieht sich eventuell nie wieder. Mich beschäftigt und belastet dies, Reto ist da «cooler».

Die nächste Sehenswürdigkeit Rumäniens, der Lacul Rosu («Killersee»), entpuppt sich für uns erneut als wenig attraktiv, also fahren wir eine Piste in die Berge hinein, und finden einen tollen Platz mitten auf einem Berg, mit weiter Sicht ins Tal, auf Wiesen, Berge und Wälder. Während Reto mit Teddy spazieren geht, dusche ich im Mog (draussen auf dem Berg ist es kalt), und wir lassen den Abend mit den Gedanken ausklingen, dass auf einer oder unserer Reise jeder Tag anders verläuft als gedacht bzw. geplant… und dass das auch meistens schön und gut so ist, und dass das eben für uns Reisen ist – einfach mal einen Weg ausprobieren. Ohne zu wissen, wohin dieser führt, weil er auf keiner Karte ist

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