Eine Grenze!! Sowas, wie lange hatten wir solch eine Institution schon nicht mehr gesehen??? Wir…
Russland Teil II
Auf lange Fahrtage folgen weitere lange Fahrtage. Wir haben tolle, einsame Übernachtungsplätze, schön in der Natur, an Flüssen, in Wäldern. Manche Plätze sind ziemlich gruselig, mit Nebel, gerade in den Wäldern, und nachts ist es stockdunkel. Der Kater ist begeistert, der Hund jedoch bellt oft den Wald an… Manchmal wissen wir nicht, in welcher Szenerie wir am Morgen erwachen, denn wir sind ja eher Spätstarter und es wird um 16 Uhr dunkel – so fahren wir eines Abends bei Dunkelheit auf einen Platz, um dort zu übernachten – am nächsten Tag die Überraschung: wir stehen auf einer riesigen Fläche aus Erde, mitten auf einer Baustelle! Fröhliche Lastwagenfahrer kommen vorbei, stören sich nicht an uns, wollen nur «Hallo» sagen und wundern sich, wer sich da so mitten auf die Baustelle stellt 😊
Wir fahren weiter, und kommen plötzlich an vielen Moscheen vorbei, die Frauen sind verhüllt. Wir halten an, werden mit «Salam Aleikum» begrüsst, reden mit den Menschen: hier wohnen türkischstämmige Russen. Die Karatschai. Viele erinnern sich noch an den Krieg, an die Deutsche Armee. Die deutschen Soldaten waren sehr beliebt bei den Karatschai, sie haben zusammengearbeitet, haben sich gut verstanden und waren, Freunde.
Es ist eine atemberaubende Landschaft in dieser Gegend, weit, es fühlt sich an wie im Wilden Westen! Reiter auf Pferden treiben ihr Vieh, es gibt hohe Berge, eindrucksvolle Felsformationen, tiefe und weite Täler.
Erneut fahren wir eine Stichstrasse in den Kaukasus hinein, in den Süden, Richtung Georgien, nach Dombai: hier gibt es einen Gletscher, tolle Gebirgskämme, weite Natur. Wir parkieren auf einer Ebene mit fabelhaftem Ausblick auf die Berge, den Fluss und die Täler.
Dombai als Ort selber ist wahnsinnig hässlich, anders kann man es leider nicht sagen, «Sowjet-Charme» prägt den Dorfcharakter… jedoch erblicken Reto und ich plötzlich das «Matterhorn», und alles ist wieder gut 😊. Tatsächlich erinnert ein Berg wirklich an das Matterhorn. Daneben Gletscher. Vom Berg aus bieten sich uns herrliche Ausblicke auf die Bergwelt.
Teddy, die das erste Mal in ihrem Leben Gondel fährt, hat wahnsinnige Angst, zittert nur, Reto versucht sie zu trösten. Auf dem Berg dann ist sie im Glück, in die Gondel für die Rückfahrt muss sie dann allerdings getragen werden 😉.
Unser weiterer Weg führt uns über den «Gum-Bashi-Pass» durch den Kaukasus – ein herrlicher Pass! Wir sind mutterseelenallein, die Landschaft ist atemberaubend, überall sind spannende Felsformationen zu sehen. Es sieht ein bisschen aus wie eine Steppe in den Bergen, alles ist bräunlich und recht felsig. Auf der ganzen Strecke erhascht man Blicke auf den Mount Elbrus, den höchsten Berg im Kaukasus (5.642 Meter hoch), und den höchsten Berg in Europa (hängt natürlich von der Definition der innereurasischen Grenze ab, für die keine allgemeingültige Definition vorliegt, andere Definitionen nennen den Mont Blanc als höchsten Berg Europas). Dieser Pass gefällt uns richtig gut!
Zurück im Tal führt unsere Strasse durch grosse Bäderstädte, die jedoch nicht den Charm eines Leukerbad in der Schweiz oder eines Baden-Baden in Deutschland versprühen… an dieser Stelle möchte ich jedoch gerne anmerken: Geschmäcker, Kulturen, sind unterschiedlich. Für Retos und meine Augen sieht alles sehr ex-kommunistisch aus. Das ist faszinierend, jedoch für uns nicht unbedingt «schön» 😉.
Wir fahren und fahren, Russland scheint ja tatsächlich endlos zu sein!, und fahren und fahren. Vorbei an apokalyptischen Gebäuden, riesige verfallene Ruinen. An einem Fluss tanken wir Frischwasser, und waschen unsere Wäsche: wir haben eine grosse Plastiktonne gekauft. Diese wird befüllt mit warmem Wasser, Waschmittel und der Dreckwäsche. Dann wird der Deckel verschraubt, und durch das Gerüttel und Geschüttel während des Unimog Fahrens, wird die Wäsche blitzblank sauber 😊.
Unser Ziel ist Mount Elbrus selbst, wir wollen nach Azau. Dieses Bergdorf am Fuss des Mount Elbrus liegt, erneut, in einer Stichstrasse in den Bergen. Wir erreichen Azau bei Nacht, es herrscht ein spannendes Flair! Denn das Dorf scheint verlassen, alles hat zu, Menschen sieht man keine, nicht mal Strassentiere, das ist ungewöhnlich! Da die Strasse irgendwann aufhört, schlagen wir hier unser Nachtquartier auf, und da nichts geöffnet hat, müssen wir eben selbst kochen. Da Azau auf 2.400 Meter Höhe liegt, haben Reto und ich Probleme mit der Höhe. Trotzdem finden wir uns am nächsten Morgen mit tollem Bergpanorama auf dem Mount Elbrus vor. Es liegt Schnee, rundherum sind Gletscher, und es ist eisig kalt, der Blick jedoch wahnsinnig schön.
Auf dem Rückweg der Stichstrasse biegen wir auf eine kleine Piste ab, und finden einen herrlichen Übernachtungsplatz auf einer weiten Fläche vor toller Bergkulisse, erneut fühlen wir uns wie im Wilden Westen!
Während Reto das Öl im Vorgelege prüft (wir haben zu wenig in den Vorgelegen!, es scheint zu wandern, das ist nicht gut!), mache ich mit Teddy einen langen Spaziergang, wir finden kaum zurück 😉. Nirgends sind Menschen zu sehen, nur Berge und Weite.
Während wir die Stille geniessen – ertönt plötzlich der laute Ruf des Muezzin! Hoppla! Und wir, wir fühlen uns wie in Marokko! 😊
Schöne Erinnerungen kommen hoch an unsere Marokkoreise. Doch es kommt noch besser: plötzlich, in der stockdunklen Nacht, knallen Peitschen, tönen Pfiffe mit dem Wind über die Steppe… Die Reiter der Karatschai treiben, auf ihren schönen Pferden sitzend, die Kühe mit Pfiffen und Peitschen durch die weiten Flächen, Offraod-Wägen strahlen mit ihren Lichtern die Herde an. Ist das faszinierend, so etwas haben wir noch nie erlebt, und wir und unser Unimog befinden uns mitten im Geschehen, die riesige Kuhherde scheint den Mog eingekreist zu haben! Ein tolles Spektakel. Klar, muss man das mit einem Sekt begiessen 😊.
Von unseren Unimog-Freunden Sonja&Micha, die vor wenigen Wochen mit ihrem Unimog auch hier waren, ziemlich genau an der gleichen Stelle!, haben Reto und ich einen super Tipp für eine Piste bekommen, damit wir nicht die ganze Stichstrasse zurückfahren müssen, sondern über eine Bergpiste in ein Paralleltal kommen, welches wir noch nicht kennen. Die Piste ist erneut menschenleer, nicht asphaltiert, die Berg- und Felsformationen sind gigantisch. Die Fahrt ist lohnenswert, wir kommen aus dem Staunen nicht mehr heraus, sind im Glück. Auf dem höchsten Punkt der Piste sehen wir eine riesige Alm bzw. Wiese, mit spektakulärem Ausblick. Es ist sehr kalt draussen, ein Wind pfeift, aber wir betrachten andächtig auf unseren Hockern mit Apero die Landschaft. Als es stockdunkel wird, begeben wir uns in den warmen Mog, wir befinden uns auf über 2.000 Metern Höhe und kein Internetsignal ist zu kriegen. Das ist auch mal schön!
Am Ende der Bergpiste kommen wir in einem engen kleinen Tal mit Wasserfall heraus, wir sind völlig überrascht, denn hier gibt es Tourismus und Infrastruktur! In einem kleinen Restaurant, welches in den Fels gebaut ist, servieren uns die muslimischen Frauen brennende Fleischspiesse. Das hätten wir nie erwartet! Da wirst du aus völliger Abgeschiedenheit und Einsamkeit plötzlich in die Zivilisation katapultiert!
Den letzten Abend in Russland (unser Visum läuft ab!) verbringen wir an einer heissen Thermalquelle, in einem Dorf mitten im Nirgendwo! Es ist ein «russisches» Thermalbad: ein riesiges Betonbecken, mit einem Zaun umschlossen, keinen Duschen. Das Becken enthält kühles Wasser, lediglich aus einem rostigen, grossen Rohr ergiesst sich heisses Wasser (Thermalwasser mit gesundheitsfördernder Wirkung, die Russen im Becken baden nicht nur darin, sondern trinken es auch) in das kühle Becken. Dies hat zur Folge, dass alle Besucher des Bades sich um dieses Rohr herum tummeln, hier ist es kuschelig, und nichts für Menschen mit Berührungsängsten 😉. Wie immer können die meisten Russen deutsch, singen uns deutsche Lieder vor.
Als Vorfreude auf Georgien gibt es am Abend georgischen Wein im mog (Georgien hat fabelhaften Wein, kein Wunder, schliesslich ist es das älteste Weinanbaugebiet der Welt!).
Auf geht es zur Grenze, wir fahren wehmütig die russische Heeresstrasse entlang auf ein Tal im Kaukasus zu, hinter dem Georgien liegt.
Russland, du warst bisher die grösste Überraschung auf dieser Reise! Ein faszinierendes Land, mit einer begeisterungswürdigen weiten Landschaft, freundlichen Menschen. Selten hat man ein Gefühl von «Freiheit pur» wie in diesem Russland, dem grössten Land der Erde, und dabei haben wir bisher erst einen Mini-Bruchteil Teil des Landes erkunden können! Wie ihr ja wisst, wird uns, geplanter Weise 😉 (das Wort «Plan» ist schon ein lustiges Wort, in Zusammenhang mit dem Mensch…), unsere Reise erneut nach Russland führen. Toll. Wir freuen uns!