Hallo ihr Lieben Lange haben wir uns schon nicht mehr gemeldet. Ich hoffe, es geht…
«Reto, was ist das? Ist das eine Grenze??? Schau mal – sie ist offen!! Juhuiii!!! Los, lass uns die Grenze nehmen Merhaba, Türkiye! (übersetzt: «Hallo, Türkei»)
Eine Grenze!! Sowas, wie lange hatten wir solch eine Institution schon nicht mehr gesehen??? Wir erinnern uns schon nicht mehr! Und, wie geht das, so ein Grenzübertritt? Können wir das noch?
Ja, solche Grenzübertritte gehörten für uns zum Standard im Reisen, quasi Alltag… doch seit Ende Oktober 2019 waren wir nun in Georgien, ziemlich genau 10 Monate. Nun ist es Ende August, und wir wagen uns wieder über eine Landesgrenze!
Wir hatten lange überlegt, wo wir hinsollten, jedoch mussten wir erkennen, dass wir nur eine Möglichkeit hatten, wenn wir Georgien verlassen wollten, denn alle Landesgrenzen (nach Russland, Armenien oder Aserbaidschan) waren geschlossen. Mit Ausnahme der Türkei.
Und so fuhren wir in das Land des Halbmondes, sehr aufgeregt, und die Türkei machte es uns leicht, einzureisen, es ging sehr schnell und die türkischen Beamten waren sehr freundlich. Als Deutsche und Schweizer dürfen wir 3 Monate am Stück in 180 Tagen in der Türkei bleiben. Problemlos bekamen wir auch für die Fahrzeuge eine Erlaubnis für 90 Tage (regulär bekommt man 30 Tage).
Wir waren begeistert! Die Grenze war direkt am Schwarzen Meer, und so fuhren wir in den nächsten Ort in der Türkei, Hopa, ebenfalls am Schwarzen Meer, deckten uns mit SIM-Karten ein, kauften begeistert (für uns neue) türkische Produkte im Supermarkt ein, liefen durch die Strassen, setzten uns in Cafés… die Türken waren sehr freundlich, das Essen lecker und «anders» 😊.
Und doch – was ist das?? Ich sehe das grosse, orange-rote «M» des Migros leuchten! Was, sind wir aus Versehen in der Schweiz gelandet, wartet im Supermarkt gar Fleischkäse in verschiedener Ausführung??? Ruft da das Paradies? Doch Reto enttäuscht mich, auch wenn er über das ganze Gesicht strahlt: anscheinend gehörten die Migros-Filialen tatsächlich früher einmal dem Schweizer Konzern, doch wohl schon lange nicht mehr.
Das musste auch ich erkennen, denn Fleischkäse fand ich keinen… dafür exotischere Sachen. Auch gut, nehmen wir auch! 😊 Und so hielten wir gleich darauf auch unseren ersten «echten» Döner Kebap in der Hand, genossen den ersten «echten» Lahmacun mit Ayran….
Irgendwie sah auch die Landschaft auf einen Schlag ganz anders aus – ich vermute jedoch, dass ist eine emotionale Sache… neues Land, da «erwartet» man ja praktisch eine andere Landschaft
Wir waren im Glück, und obwohl ich wehmütig auf die Zeit in Georgien zurückblickte (und auch traurig. Ich habe etwas in Georgien gelassen. Ich vermisse Chilly sehr), war die Euphorie gross. Wir waren wieder unterwegs, in einem neuen Land, es gab viel zu entdecken.
Wir fuhren los, wollten raus aus der Stadt. Unsere Strasse ging südlich in die Türkei, vorbei an der georgischen Grenze. Wir schraubten uns das «Pontische Gebirge» hinauf, vorbei an riesigen Staudämmen und karger, steppenartiger Natur. Teepausen gab es reichlich an den Bergstrassen, die Türken lieben ihren Tee («cay») und ihre Picknickplätze, an denen es solchen zu kaufen gibt. In einem wunderschönen Canyon übernachteten wir, nahe einem Fluss, und fühlten uns richtig wohl!
Auf unserer Reise wollten wir eigentlich nicht in die Türkei, einfach, weil es nicht auf unserer Route lag. Wir sind nördlich des Schwarzen Meeres über die Ukraine, Russland und Georgien in die Region gekommen, von dort hätte es über Armenien, Aserbaidschan in den Iran gehen sollen, dann weiter auf die Seidenstrasse in die Stan-Länder.
Und doch waren wir froh, hiess uns die Türkei hier willkommen. Wir waren wieder auf Achse!
Die Landschaft war faszinierend. Nach der Kargheit fuhren wir an richtigen Almen vorbei, ganz grün, voller bunter Blumen. Doch kaum auf dem Passkamm (bei 2.500 Metern!) ging es wieder hinunter in heisses, braunes Steppenland. Wir fuhren vorbei an kleinen Bauerndörfern, in denen sich Gänseherden fröhlich auf den Strassen vergnügten (die Türken erzählten uns, Gans sei hier eine Delikatesse, im Winter werden 2-3 Gänse pro Person gegessen).
Auf einem Hügel zwischen 2 Hügeln 😉 fanden wir einen tollen Platz zum Schlafen, mit weiter Sicht und nichts als Steppe. Nach einem Spaziergang zum Sonnenuntergang machten wir es uns im mog gemütlich, denn obwohl es tagsüber sehr heiss ist, kühlt es hier in der Höhe schnell ab, sobald die Sonne untergegangen ist. Ich wollte gerade duschen gehen, als ich draussen Taschenlampenlicht sah. Und schon klopfte es lautstark an unsere Tür, draussen war es stockdunkel. Ein aufgeregter Türke schrie uns an, Reto schnappte sein Handy (für die Übersetzer-App) und ging hinaus.
Es war eine seltsame, und auch beängstigende Situation. Der Mann brüllte, er war ängstlich, fast schon panisch, und sehr aufgeregt. Wir verstanden nicht viel, durch die Aufregung funktionierte wohl auch die Übersetzung nicht richtig. Wortfetzen wie «Terroristen», «erschiessen», «gefährlich» verstanden wir. Der Mann machte ein Zeichen mit seiner Hand auf Retos Kopf, als ob er ihn erschiessen wollen würde. Ich bekam Angst!
Immer noch war alles sehr aufgeregt. Der Mann sprach ins Handy, es ging wohl darum, wie wir ins Land gekommen seien, ob wir illegal hier wären, wie wir über die Grenze gekommen seien… und immer wieder ging es um «Terroristen» und «erschiessen». Ich verstand nicht, wollte er uns sagen, es gäbe hier Terroristen, die uns erschiessen wollen? Oder meinte er, wir seien Terroristen? Und dass er uns erschiessen könne, wenn er wolle? Es blieb undurchsichtig, der Mann blieb aufgeregt. Er sagt, wir müssten ihm folgen, wir müssten bei ihm schlafen. Aber ich wusste immer noch nicht, war jetzt er gefährlich? Und mit Reto konnte ich mich nicht austauschen, er war draussen und versuchte, auch zu verstehen.
Da der Mann darauf bestand, dass wir mit zu ihm kommen mussten, blieb uns keine Wahl – denn dort bleiben, da hätten wir kein gutes Gefühl mehr, aber einfach weiter fahren, wenn es draussen unsicher ist? Dann lieber mit ihm mit! Also verstauten wir in Windeseile alles im mog, und fuhren in der Dunkelheit los. Wir wussten jedoch nicht wohin – der Mann war verschwunden! Da, der Strahl einer Taschenlampe! Wir kamen an, ein kleines Hirtenzelt war zu sehen, und eine riesige Kuhherde, wie auch grosse Hütehunde. Wir wollten uns gerade hinstellen, ca. 10 Meter vom Zelt weg, aber er bestand darauf, dass der Unimog so nahe als möglich am Zelt abgestellt wurde – und damit total schräg stand.
Der Mann stellte sich vor, und seinen Bruder, der neben ihm stand. Plötzlich war er total freundlich, wie ausgewechselt, und lud uns zum Tee ein! Unsere Bedenken waren zerstreut – sie würden uns jetzt ja nicht überfallen?!
Wir bauten unseren grossen Campingtisch auf, inklusive unserer Stühle. Schon hatten die Männer den Tee auf den Tisch gestellt, wir steuerten Nüsse bei… es war wie bei einem Teekränzchen!
Die meisten Kühe schliefen, die Hunde kamen vorbei…. Aber es liess uns keine Ruhe, also fragten wir nochmal nach, worin die «Gefahr» bestand. Und die Antwort überraschte (bis heute werden wir nicht schlau daraus): Wölfe!
Was sollte das? Fast war es zum Lachen! Wäre es nicht zuvor so beängstigend gewesen…
Aber um uns dann doch nicht zu sehr in Sicherheit zu wiegen holte er daraufhin seine Waffe (!) hervor – und schoss in die Luft…
Es wurde bitterkalt. Im Bett sinnierten wir, was das für eine groteske Situation gewesen war… war es ein Sprachproblem? War die Region tatsächlich gefährlich? Wollte der Hirte es im Nachhinein nur nicht zugeben, dass er panisch und ängstlich wegen uns reagiert hatte? Wir werden es nie herausfinden, zurückbleibt eine lustige Geschichte zum Erzählen, die jedoch auch zu Denken gibt und die wir nicht vergessen sollten auf unserer weiteren Reise durch die Türkei.
Doch war dies nicht die einzige Thematik, die uns vom Schlaf abhielt. Wir dachten über Georgien nach! Und daher würde ich an dieser Stelle gerne einen Rückblick auf Georgien wagen.
So etwas ist aber auch immer schwierig, zu leicht ist die Gefahr, in Klischee-, Schubladen-Denken, abzurutschen, in Bewertungen. Denn überlegt mal: was ist für euch der typische Schweizer, der typische Deutsche? Ich probiers mal: der typische Deutsche, ist das der, der in Jogginghose, hochgezogenen weissen Socken in Birkenstock oder Turnschuhen, morgens um 11 mit seinem Bier vor dem Fernseher sitzt und am Abend das Fussballspiel von Schalke mit den Kumpels in der Bar schaut? Ne, oder? Halt, ist es dann der Akademiker mit Brille und verwuschelter Frisur, der in einem Buch versunken auf einer Parkbank sitzt, und etwas verlodderte Kleidung trägt? Der abends alleine zuhause sitzt, seine Fertigmahlzeit zubereitet, und im Kopf philosophischen Gedanken nachhängt? Mist, auch nicht, oder? Tja, und da sind wir beim Thema!
10 Monate Georgien. Ich wage es doch, aber mit dem Haftungsausschluss, dass es meine, rein subjektive Meinung ist, die eventuell zu 0,1 Prozent zutreffen könnte. Retos Meinung ist, ausnahmsweise 😉, auch enthalten, haha:
In Georgien ist man so frei wie in kaum einem Land dieser Erde – und Reto und ich haben schon so viele gesehen. Es ist wie der letzte «Wilde Westen». Das Gefühl von Freiheit ist immens, politische und religiöse Einschränkungen sind sogar im Minusbereich, der Georgier und das georgische Gesetz sind aussergewöhnlich liberal. Gerade auch Ausländern gegenüber, und den Inländern gegenüber sowieso. Und sicher ist es, das Georgien. Wir haben immer die Haustür aufgelassen. Ich lief, auch gerade nachts, viel alleine herum. Nie war ich ängstlich, im Gegenteil, ich war auch zu Coronazeiten alleine in Georgien, und habe mich niemals unsicher gefühlt, bedroht oder ängstlich.
Die Landschaft ist abwechslungsreich, vom Kaukasus-Gebirge im Norden über die Steppe bzw. Wüste im Süden, das Meer im Westen. Die Menschen sind gesellig, freundlich, offen, gastfreundlich. Sie lieben Tiere, gerade auch Strassentiere. Noch nie habe ich ein Land gesehen, in dem die Menschen so tierlieb sind wie die Georgier! Ich sah die alte Frau mit einer Sahnetorte, die damit Strassenhunde fütterte. Sie haben facebook-Gruppen, die sich um Strassentiere kümmern.
Sie kümmern sich viel und gerne um ihre Familien, leben zusammen in Mehrgenerationenhäusern, Altersheime kennen sie nicht. Sie fahren wie die Irren, essen und trinken sehr gerne, und viel, und das Essen ist auch wirklich köstlich! Sehr gehaltvoll, viel Fleisch und Gemüse, immer eine Gaumenfreude. Mein Lieblingsessen, die «Adjarian Khachapuri», vermisse ich: ein grosses Stück Teig in Schiffsform, darin geschmolzener Käse, Butter und ein rohes Eigelb. Ist das lecker! Hätte ich täglich essen können. Reto fand es zu mastig, ich herrlich 😊.
Nicht einzuordnen ist Georgien meiner Meinung nach in dieser Welt, irgendwie: weder europäisch, noch russisch, noch arabisch.
Die Menschen sind unkompliziert, die Gesetze sind unkompliziert. Jedoch ist das Land glaube ich etwas ärmer, als wir gedacht hätten.
Der Georgier ist sehr gastfreundlich auf den 1. Blick, auf den 2. Blick immer noch gastfreundlich, aber eventuell etwas oberflächlich. Aber auch nur vielleicht, und natürlich nicht alle, im Gegenteil!
Alles ist irgendwie «speziell» in Georgien, zB es gibt wenige Dinge zum Einkaufen (Dinge, die man bei uns in jedem Baumarkt findet, mussten wir von den USA oder von Deutschland nach Georgien liefern lassen), es ist eine spezielle Sprache und Schrift, das essen ist sehr speziell (völlig und ausschliesslich positiv gemeint!). Georgien ist also speziell und toll 😊.
Von der schönen Natur gibt es viel, denn das Land ist auch nicht stark bevölkert.
Es ist ein sehr positives Land, und mein persönliches Fazit ist: in Corona-Zeiten hätten wir in keinem besseren Land auf dieser Erde sein können!
Mit diesen schönen Gedanken an Georgien schlafen wir ein. Denn es ist schön, mit positiven Gedanken einzuschlafen. Denn in meinem nächsten Bericht werdet ihr erfahren, dass wir noch allerhand Probleme bekommen werden in der Türkei, die uns auch schwer treffen. Aber: uns vieren geht es gut, und ich hoffe, euch Lieben Daheim auch.
Bis zum nächsten Mal, passt auf euch auf, hebt eu Sorg. Und wir freuen uns immer über (Rück-) Meldungen von euch.
Ganz liebe Grüsse
reto&sandra
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